Zitate von Bonhoeffer

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Zum Menschsein:

"Wir müssen lernen, die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen, als auf das, was sie erleiden, anzusehen."
(aus: "Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943", im Gefängnis Berlin-Tegel)

"Qualität ist der stärkste Feind jeder Art von Vermassung. Gesellschaftlich bedeutet das den Verzicht auf die Jagd nach Positionen, den Bruch mit allem Starkult, den freien Blick nach oben und nach unten, besonders was die Wahl des engeren Freundeskreises angeht".
(aus: "Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943", im Gefängnis Berlin-Tegel)

"Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir sie brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen."
(aus: "Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943", im Gefängnis Berlin-Tegel)

"Aber letzten Endes faßt sich, jedenfalls für mich, die Welt doch zusammen in ein paar Menschen, die man sehen und mit denen man zusammen sein möchte."
(Brief an seine Eltern, Gefängnis Berlin-Tegel am 13.10.1943)

"Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann …, einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden - …, - dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, …"
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 21.7.1944)

"Ich bin keine religiöse Natur. Aber an Gott, an Christus muß ich immerfort denken, an Echtheit, an Leben, an Freiheit und Barmherzigkeit liegt mir sehr viel. Nur sind mir die religiösen Einkleidungen so unbehaglich."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, im Zug nach München am 25.6.1942).

Der Häftling

"Der Gefangene neigt wohl überhaupt dazu, den Mangel an Wärme und Gemüt, den er in seiner Umgebung findet, bei sich selbst durch eine Übersteigerung des Gefühlsmäßigen zu ersetzen und er reagiert wohl auch leicht überstark auf alles Persönlich-Gefühlsmäßige. Es ist dann gut, sich selbst immer wieder einmal durch eine kalte Dusche Nüchternheit und Humor zur Ordnung zu rufen, sonst gerät man aus dem Gleichgewicht."
(Brief an seine Eltern, Gefängnis Berlin-Tegel am 24.6.1943)

"So eine Gefängniszelle ist übrigens ein ganz guter Vergleich für die Adventssituation; man wartet, hofft, tut dies und jenes – letzten Endes Nebensächliches – die Tür ist verschlossen und kann nur von außen geöffnet werden."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 21.11.1943)

"…, daß Gott sich gerade dorthin wendet, wo die Menschen sich abzuwenden pflegen, daß Christus im Stall geboren wurde, weil er sonst keinen Raum in der Herberge fand, - das begreift ein Gefangener besser als ein anderer und das ist für ihn wirklich frohe Botschaft, …"
(Brief an seine Eltern, Gefängnis Berlin-Tegel am 17.12.1943)

"Die [Herrnhuter] Losungen sind meine tägliche Freude."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 18.1.1944)

Wirklicher Glaube:

"Als wir gestern abend wieder auf dem Fußboden lagen und einer vernehmlich: 'ach Gott, ach Gott!' rief – sonst ein sehr leichtfertiger Geselle – brachte ich es nicht über mich, ihn irgendwie christlich zu ermutigen und zu trösten, sondern ich weiss, daß ich nach der Uhr sah und nur sagte: es dauert höchstens noch 10 Minuten."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 29. und 30.1.1944 nach einem Bombenangriff).

"Es ist sicher ein großer Unterschied, ob man einen Monat oder ein Jahr im Gefängnis ist, man hat dann nicht nur einen interessanten oder starken Eindruck, sondern einen ganz großen neuen Lebensbereich in sich aufgenommen."
(Brief an seine Eltern, Gefängnis Berlin-Tegel am 26.4.1944).

Leid und Trauer:

"Zunächst: es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann, und man soll das auch gar nicht versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht mehr wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich."
(Brief an Renate und Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel an Heiligabend 1943)

"…, daß mich die grauenhaften Eindrücke oft bis in die Nacht verfolgen und daß ich sie nur durch Aufsagen unzähliger Liedverse verwinden kann und daß dann das Aufwachen manchmal mit einem Seufzer statt mit einem Lob Gottes beginnt."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 15.12.1943).

"Ich muß die Gewißheit haben können, in Gottes Hand und nicht in Menschenhänden zu sein."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 22.12.1943)

Widerstand:

"Die Grenzen zwischen Widerstand und Ergebung sind also prinzipiell nicht zu bestimmen; aber es muß beides da sein und beides mit Entschlossenheit ergriffen werden. Der Glaube fordert dieses bewegliche lebendige Handeln. Nur so können wir die jeweilige gegenwärtige Situation durchhalten und fruchtbar machen."
(Brief an seinem Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 21.2.1944)

"Gott führe uns freundlich durch diese Zeiten; aber vor allem führe er uns zu sich."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 21.7.1944; ein Tag nach nach dem gescheiterterten Putsch auf Adolf Hitler)

Zur Kirche:

"Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein. Auch diejenigen, die sich ehrlich als 'religiös" bezeichnen, praktizieren das in keiner Weise; sie meinen vermutlich mit 'religiös" etwas ganz anderes."
(Brief an seinen Freund Eberhard Bethge, Gefängnis Berlin-Tegel am 30.4.1944).

"Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist."
(aus: "Entwurf einer Arbeit", Gefängnis Berlin-Tegel im August 1944).

"Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören."
(aus: "Die Kirche vor der Judenfrage", Vortrag im April 1933 nach dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1.4.1933 und der Einführung des "Arierparagraphen" für den staatlichen Bereich am 7.4.1933).

Berühmte Zitate:

"Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil."
(aus: "Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft", Teil III; Referat am 22.4.1936, dann Aufsatz für die "Evangelische Theologie" im Juni 1936).

Die Kirche "wird die Bedeutung des menschlichen 'Vorbildes' (das in der Menschheit Jesu seinen Ursprung hat und bei Paulus so wichtig ist!) nicht unterschätzen dürfen; nicht durch Begriffe, sondern durch 'Vorbild' bekommt ihr Wort Nachdruck und Kraft."
(aus: "Entwurf einer Arbeit", Gefängnis Berlin-Tegel im August 1944).

"Der Glaubende kann kein Pessimist sein und kann kein Optimist sein. Beides ist Illusion. Der Glaubende sieht die Wirklichkeit nicht in einem bestimmten Licht, sondern er sie, wie sie ist und glaubt gegen alles und über alles, was er sieht, allein an Gott und seine Macht."
(aus: Ansprache in Gland am 29.8.1932; Internationale Jugendkonferenz von Life and Work und Weltbund für Freunschaftsarbeit der Kirchen).

"Lebendiges Bekenntnis heißt nicht dogmatische These gegen These stellen, sondern es heisst Bekenntnis, bei dem es ganz wirklich um Leben und Tod geht."
(aus: "Die Bekenende Kirche und die Ökumene" im August 1935).

"Der Feind ist im Neuen Testament immer der, der mir feindlich ist. Mit einem, dem der Jünger Feind sein könnte, rechnet Jesus gar nicht."
(aus: "Nachfolge").

"Sich nicht für klug halten, sich herunterhalten zu den Niedrigen, heißt ohne Phrase und in aller Nüchternheit: sich selbst für den größten Sünder halten."
(aus: "Gemeinsames Leben").

"Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen."
(Ausspruch Bonhoeffers bei den Predigerseminaren, die er seit 1935 in Pommern für die "Bekennende Kirche" hielt).

Wer bin ich?

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.


Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.


Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.


Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?


Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
 
Gedicht aus: Widerstand und Ergebung